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17.12.2022
Themenbeitrag

Andere (BDSMer) verstehen


Bild von: MagicZyks

 



Andere (BDSMer) verstehen





Liebe Mitglieder,

versteht ihr andere Fetische? Mit „andere“ meine ich die Fetische, die zufällig nicht die eigenen sind?

Persönlich verstehe ich viele Fetische nicht so ganz. Damit will ich sagen, ich habe keine Vorstellung davon, wo der Reiz bei diesem Fetisch liegen könnte.

Genau genommen, verstehe ich nicht einmal meine eigenen Fetische zur Gänze. Hier weiß ich wenigstens, dass von ihnen ein besonderer Reiz (für mich) ausgeht. Aber warum das so ist, weiß ich nicht.

Und weil wir einander oft nicht verstehen, wird in dieser und auch auf anderen Begegnungsstätten die Toleranz hochgehalten.

Toleranz, ist ein vielzitierter Wert im Forum und in den Profilen. Toleranz braucht streng genommen kein Verstehen. Der Tolerante duldet einfach andere, ihm unverständliche, Positionen.

„Keine Ahnung, warum du so auf Latex abfährst, ist mir auch egal, solange ich es nicht anziehen muss. Mach, was du willst.“

Das ist Toleranz. Verstehen aber, funktioniert anders.

Verstehen führt nicht selten zu Verständnis und genau das sorgt zuweilen für ein ganz ungutes Gefühl. Denn Verständnis für etwas bisher Unverständliches aufzubringen, fühlt sich unter Umständen falsch an.

Zu einigen Geisteshaltungen suchen die meisten Menschen die größtmögliche Distanz. So höre ich in Talk-Shows von Prominenten, Intellektuellen und Politikern, dass man keinen Sinn in einem Dialog mit Faschisten, Neo-Nazis oder Klima-Leugnern sieht. Wer so argumentiert möchte den anderen gar nicht verstehen.

Besteht also theoretisch eine Gefahr - z.B. für unsere psychische Gesundheit - wenn wir andere Fetische nicht nur tolerieren, sondern auch verstehen würden? Zumindest soweit dies überhaupt machbar ist.

Wenn Fetische wie Koprophilie in die Diskussion geraten, ist Toleranz für einige schon eine Herausforderung und Verstehen recht weit weg. Spätestens bei Pädophilie endet dann jedes Verstehen (zumindest bei den meisten Menschen). Eben auch, weil man fürchtet, dass reine Verstehen wäre schon der erste Schritt zum Verständnis und so die Vorstufe des in-Schutz-Nehmens.

Persönlich denke ich nicht so. Ich kann eine Sache oder Tat verstehen und trotzdem verurteilen.

Wenn ich dem Drogensüchtigen gegenübertrete, der meine Oma für drei Goldringe nachts überfallen und in den Rhein gestoßen hat, so verstehe ich, was ihn hat glauben machen, das sei eine gute Idee. Aber Verständnis erhält er dafür von mir nicht.

Aus meiner Sicht ist Verstehen unverzichtbar, wenn ich mein Gegenüber zu einem Sinneswandel bewegen möchte. Aber selbst wenn ich das nicht will und mein Ziel ist, ihn schlicht zu bekämpfen, gelingt mir das besser, wenn ich ihn zunächst erstmal verstehe, sprich seine Beweggründe kenne.

Nehmen wir an dein Partner möchte beim Sex gewürgt werden. Du bist der tolerante Typ und denkst: „Why not, wenn es ihm Freude macht.“ Zeigst also Toleranz.

Wenn aber die Hintergründe seines Fetischs verstehen würdest und z.B. wüßtest, dass er damit eine Todessehnsucht verbindet, dann wäre dir bewußt, dass dein Part mehr Verantwortung erfordert als nur die Ausübung eines Kinks. Allein mit Toleranz fehlt dir diese wichtige Information.

Deshalb ist Toleranz erst in Kombination mit Verstehen eine runde Sache.


Text: M. Zyks
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