Gender - Wozu ein soziales Geschlecht?
Gender
Wozu ein soziales Geschlecht?
„Gender" ist ein englisches Wort für Geschlecht. Genauer: für das soziale, das gelebte und gefühlte Geschlecht, im Unterschied zu „sex", dem bei Geburt aufgrund körperlicher Merkmale zugewiesenen Geschlecht.“
Mit diesem Zitat startet die Webseite von genderdings.de, einer Infoseite des Dissens-Institut für Bildung und Forschung e.V. welche vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Wikipedia definiert Gender sehr ähnlich.
Und weil es sich hier um seriöse Quellen handelt, gründen sich meine folgenden Gedanken auf diese Definition von Gender.
In den Jahren meiner eigenen Pubertät war der Begriff Gender in Deutschland - unter uns Jugendlichen - unbekannt. Obwohl er laut Wiki bereits in den 1970er Jahren etabliert wurde.
In meiner Jugend war eine andere Frage „hip“, nämlich ob man ein „Softie“ oder ein „Macho“ sein wollte. Radiosender und Magazinbeiträge beschäftigten sich intensiv mit diesen Rollenbildern. Wobei Machos Männer im Zuschnitt alter Westernidole wie John Wayne waren und Softies eine neue sensible Kategorie wie später Hugh Grant in Notting Hill verkörperten.
Als heranwachsender Mann sah man sich, in jener Zeit, mit der Frage konfrontiert, welcher Typ Mann möchte ich sein?
Beide Rollenmuster spielten sich allerdings innerhalb des Spektrums Mann ab. Ebenso wie die viele Jahre später diskutierte Frage, ob man ein „Mädchen-Mädchen“ ist. Was nichts anderes meinte, als dass man sich als Frau mit stereotypen, weiblichen Zuschreibungen wohl fühlt.
Erst mit dem Begriff: „Gender“ wurde mir der Gedanke nahegebracht, dass ich ein soziales Geschlecht haben könnte, das nicht identisch mit meinem biologischen Geschlecht ist.
Bis dato ging ich davon aus, dass es viele Rollenbilder innerhalb eines Geschlechts geben kann, mit denen ich mich als Mann bzw. Frau identifiziere, aber nicht, dass ich über ein soziales Geschlecht verfüge. Geschlecht war für mich biologisch determiniert.
Ich bin zwar schon in der Jugend auf Menschen gestoßen, die mit ihrem biologischen Geschlecht haderten und von sich sagten sie seien z.B. „im falschen Körper“ geboren, aber diese Personen wollten gerade ihr biologisches Geschlecht ihrem gefühlten Geschlecht angleichen.
Auf diese Problematik möchte ich jedoch nicht weiter eingehen. Mit diesem Beitrag geht es mir um etwas anderes.
Mich beschäftigt der Umstand, dass die obige Definition nahelegt, ich kann abweichend von meinem biologischen Geschlecht ein soziales Geschlecht besitzen.
Zum Beispiel kann ich biologisch ein Mann und sozial eine Frau sein. Dieser Gedanke geht meinem Verständnis nach, sehr viel weiter als wenn ich für mich definiere, dass ich empathischer oder sanfter bin als der „Durchschnittsmann“. In dieser Vorstellung bin ich weiterhin Mann.
Was bedeutet es aber sozial ein Mann oder eine Frau zu sein und zwar in einer Intensität, dass ich von einem sozialen Geschlecht spreche?
In dem Dokumentarfilm „The red pill“, der von einer Männerrechtsbewegung in den USA handelt, fragt der Interviewer Menschen: „Was ist eine Frau?“ Unter den Befragten, die die Biologie nicht als entscheidendes Kriterium zur Beantwortung der Frage heranziehen wollten, verweigern etliche die Antwort oder sagen: „Eine Frau ist jemand, der sich so fühlt.“
Wenn die emotionale Verfassung das soziale Geschlecht bestimmt, wie entsteht dieses Gefühl?
Dass es Menschen gibt, denen ihr biologisches Geschlecht falsch erscheint, ist für mich fassbar. Da ist ein Penis und der sollte nicht da sein oder umgekehrt.
Was aber bewegt mich, nur mein soziales Geschlecht zu ändern? Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Menschen nicht in der Lage sind
(zumindest legt das der oben genannte Film nahe. Die Fragestellung wurde seitdem von etlichen Youtubern mit ähnlichem Ergebnis übernommen) zu definieren, was einen Mann oder eine Frau ausmacht, wenn sie die biologische Komponente ausklammern.
Seit Jahrzehnten ist unsere Gesellschaft und an vorderster Front die Emanzipationsbewegung bemüht mit klischeehaften Rollenbildern zu brechen. Rollenbilder, die Frauen weniger Rationalität oder Durchsetzungskraft als Männern attestieren wollen. Rollenbilder, die Tränen bei Männern als „weibisch“ deklassieren, usw.
Überlebt haben lediglich biologische Unterschiede, weshalb beim Sport Männer und Frauen nicht gegeneinander antreten.
In unserer heutigen Gesellschaft gibt es - nach meinem Verständnis - kein von allen akzeptiertes Rollenmuster von „Mann“ oder „Frau“. Wesensarten, die meine Großmutter noch als typisch männlich oder typisch weiblich eingeordnet hätte, gelten heute als widerlegt.
Wenn wir nicht erwerbstätige Hausmänner nicht nicht länger "unmännlich" ansehen und der Spruch: „Frauen können nicht einparken“ als sexistischer Unsinn entlarvt wird …
… wenn es demzufolge keine geschlechtspezifischen Wesensmerkmale gibt, wie kann ich mich dann sozial als Frau fühlen, ohne gleichzeitig ein bereits überholtes Rollenbild zu konservieren? Ein Rollenbild, dass der Zeit meiner Eltern entliehen ist, wo männliches und weibliches Verhalten klar definiert war und Mann und Frau gesellschaftlich/sozial festgelegte Aufgaben wahrnahmen.
Da scheint es mir naheliegender, divers als soziales Geschlecht zu nutzen, um deutlich zu machen, dass man sich jeder stereotypen Rollenzuschreibung entziehen möchte.
Was denkt ihr über Gender?
Gruß
Magic
Text: M. Zyks
Bild: Adobestock - Andrey Popov